Wie in der Vorwoche durften die Fohlen den letzten Spieltag vor der Winterpause im heimischen Stadion einleiten. In einem unterhaltsamen Spiel setzten sich Gladbacher Borussen am Ende absolut verdient durch und schließen durch den Sieg punktemäßig zum BVB auf. Mit 22 Zählern aus 15 Spielen ist man im Soll und kann nach zwei Siegen aus den letzten drei Partien mit einem guten Gefühl in die nun anstehende Pause gehen.
Vor dem Anpfiff
Personell blieb auf Seiten der Gastgeber fast alles beim Alten. Lediglich auf der linken Offensivposition musste bedingt durch Alassane Pléas Corona-Infektion gewechselt werden. Für den Franzosen rückte Kapitän Lars Stindl wieder in die Startformation. Im Tor durfte Jan Olschowsky seine Heimpremiere vor ausverkauftem Haus und unter Flutlicht feiern. Erfreulicherweise konnte nach einer über zweimonatigen Verletzungspause mit Ko Itakura der nächste Langzeitverletzte sein Comeback feiern, sodass sich das Lazarett langsam aber sicher lichtet. Patrick Herrmann, der aufgrund eines Infekts fraglich war, stand Daniel Farke ebenfalls zur Verfügung.
Bei den Gästen tauschte Edin Terzic im Vergleich zum Auswärtsspiel in Wolfsburg doppelt. Emre Can besetzte statt Salih Özcan die zweite Sechserposition neben Jude Bellingham und Giovanni Reyna rückte statt Karim Adeyemi auf den rechten Flügel im Dortmunder 4-2-3-1. Die beiden ehemaligen Gladbacher Marco Reus und Mahmoud Dahoud konnten verletzungsbedingt nicht mitwirken, Thorgan Hazard nahm zunächst auf der Bank Platz.
Brandt vs Weigl
In den ersten Minuten war der BVB sichtbar darum bemüht, gleich vom Start weg das Kommando zu übernehmen und die Gladbacher Defensive zu beschäftigen. Auffällig war, dass Julian Brandt mannorientiert gegen Julian Weigl agierte, um dem Sechser die Bindung zum Spiel zu nehmen und dafür so sorgen, dass der Aufbau anders gestaltet werden muss. Malen und Moukoko stehen mit Brandt auf einer Linie.
Olschowsky führt den Abstoß kurz auf Elvedi aus, der in der Folge von Moukoko angelaufen wird. Bensebaini wird nach Elvedis Zuspiel auch sofort attackiert und kann keinen kontrollierten Ball spielen – Ballverlust. Dieses Muster war immer wieder zu beobachten, womit der Gast versuchte, die Spieleröffnung auf die Außenbahnen in die Hände von Bensebaini und Scally zu lenken.
Dies wird deutlich bei einem Blick auf den Statistikbogen: Natürlich müssen diese Zahlen in den Kontext eingeordnet werden, dass nach 90 Minuten ein deutliches Ballbesitzplus für Dortmund auf dem Papier steht. Am Ende hat auf Seiten der Fohlen von allen Spielern, die durchgespielt haben (oder die mindestens 87 Minuten auf dem Platz standen), nur Marcus Thuram weniger Passversuche auf dem Konto als Weigl. Bemerkenswert: 35 der 36 Pässe kamen dennoch an, was einer Passquote von 97,2% entspricht. Der Fokus, Weigl aus dem Spiel zu nehmen lässt sich auch gut aus einem anderen Wert ablesen. Für Koné notiert fbref.com fast doppelt so viele „Touches“ im eigenen letzten Drittel wie für seinen Nebenmann.
Beim frühen Führungstreffer war Weigl dann schließlich der Ausgangspunkt des Angriffs. Nach einer Aufbau über den linken Flügel zirkulierte der Ball zu eben jenem vor die Abwehrkette zurück. Mit einer Drehung um die eigene Achse – und begünstigt vom Ausrutschen Brandts – entledigt er sich seines Bewachers, dribbelt an und spielt Stindl im Zwischenlinienraum der Dortmunder Ketten an, wodurch er selbst direkt auf die letzte Linie zulaufen kann.
Außerdem gut zu beobachten: Der asymmetrische Ansatz im Hochschieben zwischen Scally und Bensebaini. Der Pass von Stindl und vor allem der Laufweg Hofmanns sind am Ende einfach nur klasse.
Ein Schuss, ein Tor
Im Duell der Kapitäne verschleppt Stindl etwas Tempo und zieht ein Stück nach innen, wodurch Hummels ihn stellen will / muss und zugleich die Schnittstelle in seinem Rücken zu Süle öffnet. Sowohl Guerreiro als auch Schlotterbeck sind im Moment der Ballabgabe in der Nähe des WM-Fahrers. Thuram zieht Guerreiro mit seinem Lauf in den Halbraum etwas nach außen, Schlotterbeck ist zu spät dran und so kann Hofmann nochmals den Kopf heben und ganz überlegt und präzise mit seinem schwächeren linken Fuß zur frühen Führung einnetzen.
Nachdem man mit dem ersten Nadelstich sogleich in Front lag, wiederholte sich, was sich in den ersten Minuten bereits etwas abzeichnete. Gladbach empfing den Gegner in einem Mittelfeldpressing zumeist in Höhe der Mittellinie und arbeitete gegen den Ball im 4-4-2 mal mit Kramer mal mit Stindl in vorderster Linie neben Thuram.
Dortmund positionierte in Reyna, Brandt, Moukoko und Malen gleich vier Akteure unmittelbar vor der Viererkette der Fohlen, wodurch man faktisch 1vs1 spielte. Beide Ketten der Gladbacher standen dabei horizontal kompakt und versuchten, den Raum im Zentrum zu verknappen, wodurch auch der BVB im Aufbau früh auf die Außen spielte – vornehmlich war Raphael Guerreiro hier die gefragteste Option – und sich breit auffächerte. Auch dieses Schema kennt man seitens des VfL und es ist zugleich Teil der taktischen Herangehensweise. Nicht umsonst lässt man ligaweit die meisten Flanken zu (22:4 pro Dortmund in diesem Spiel).
Offensivspektakel
Die linke Angriffsseite der schwarz-gelben Gäste beziehungsweise der linke Halbraum waren maßgeblich an der Entstehung des Ausgleichtreffers beteiligt. Bellingham bekommt keinen Druck und kann sich den Ball zurecht legen. Bensebaini stellt per Schulterblick fest, dass sich Süle in seinem Rücken mit nach vorne bewegt hat und rückt daher nicht ein, um die Schnittstelle zu schließen, die sich zwischen ihm und Nebenmann Elvedi auftut. Brandt setzt zum Tiefenlauf auf, Elvedi versucht diesen noch aufzunehmen und im Zurücklaufen den Ball zu klären, ist aber einen Moment zu spät dran. Brandts An- und Mitnahme sowie der Abschluss sind technisch natürlich hochwertig.
Bis zum Pausentee entwickelte sich ein offener Schlagabtausch beider Mannschaften. Die Fohlen strahlten immer wieder Gefahr in den Umschaltmomenten aus und suchten, wenn möglich, sofort den vertikalen Passweg. Wie beispielsweise bei der Möglichkeit von Thuram in der 23. Minute, auch wenn sein Abschluss per Hacke wegen einer Abseitsstellung zurückgepfiffen wurde. Koné erobert rund 35m vor dem eigenen Tor die Kugel und schickt Hofmann umgehend steil. Auch hier profitiert man zunächst vom ausrutschenden Schlotterbeck, doch durch den schnellen Steilpass ergibt sich erst die Gelegenheit, quasi ein 2vs2 zu laufen. Nur zwei Minuten später war die Führung wiederhergestellt, als Bensebaini einen Freistoß von Hofmann aus fünf Metern wuchtig zu seinem fünften Saisontreffer einnickte.
Nach einer knappen halben Stunde wurde die Führung in Person von Thuram ausgebaut. Einen weiten Ball von Schlotterbeck kann Scally Richtung Seitenlinie klären, Hofmann kratzt ihn vor dem Überschreiten gerade noch zurück ins Feld und Koné macht den Ball gegen Emre Can fest. Sämtliche Feldspieler beider Mannschaften befinden sich in der Gladbacher Hälfte.
Entscheidend ist, dass Koné den Ball noch zu Stindl spielen kann, da Hummels bereits versucht, ihn zu pressen. Durch die kurzen, aber entscheidenden Pässe von Koné zu Stindl und von diesem zu Thuram kann letzterer nun mit Tempo alleine auf Schlotterbeck andribbeln, nutzt seine Geschwindigkeit aus und verlädt Kobel.
Dortmunder Druckphase
Natürlich konnte man Dortmund bei aller individuellen Klasse nicht vollends aus dem Spiel nehmen. Immer wieder war es Guerreiro, der auf dem linken Flügel und aus dem Halbraum anschob und sich offensiv einschaltete. Nach einer Stafette über links konnte Olschowsky Moukokos Kopfball noch klasse mit dem Fuß klären, ehe Bensebaini den Einschlag von Reynas Schuss mit einer sensationellen Grätsche verhinderte. Der Anschlusstreffer fiel dennoch kurze Zeit später: Olschowsky konnte einen Kopfball im Anschluss an eine Ecke aus kurzer Distanz noch wegwischen, gegen den Nachschuss Schlotterbecks war er dann allerdings machtlos.
Beim jungen Schlussmann konnte mich sich bedanken, dass es mit der Führung in die Kabine ging. Nach einem nicht ideal ausgespielten Konter der Gladbacher Borussia überspielte der BVB mit wenigen Pässen – und etwas Glück bei einem Abpraller von Elvedi – die im Anschluss etwas unsortierte Defensive der Fohlen. Reyna konnte bis zur Grundlinie durchbrechen und zu Malen in den Fünfmeterraum zurücklegen, wo Olschowsky sich im Fallen ganz breit macht und den Ball mit der Schulter über das Tor befördern kann.
Vorentscheidung durch Koné
In der Pause musste Farke personell reagieren. Für den angeschlagenen Kramer ging es nicht mehr weiter, ersetzt wurde er von Patrick Herrmann, der seine gewohnte Position auf dem rechten Flügel einnahm. Jonas Hofmann ging damit ins Zentrum hinter Thuram, während Herrmann seine etatmäßige Position auf dem rechten Flügel einnahm. Terzic zog auch die erste Wechseloption und brachte Thorgan Hazard für Reyna in die Partie.
Einige Zuschauer dürften noch nicht an ihrem Platz gewesen sein, als Koné den Ball zum vierten Treffer ins Tor beförderte. Dabei ging es abermals schnell, mit einem Kontakt, präzise und schnörkellos vor den gegnerischen Strafraum. Über Scally, Hofmann, Herrmann, Thuram und erneut Scally landete das Spielgerät in den Füßen des extrem spielfreudigen Lars Stindl. Wieder ist es Hofmann mit seinem Gespür für den Raum, der sich glänzend in Position läuft.
Sekunden vorher noch selbst in das Kombinationsspiel involviert, sucht er sofort wieder die Tiefe. Hummels hat aus der Kette nach vorne verteidigt und Thuram gepresst, Guerreiro presste an der Seitenlinie im Verbund mit Can gegen Hofmann und Herrmann. Durch die Ballbehauptung ergibt sich so die Chance, in den sich bietenden Raum zu starten.
Stindls Pass ist perfekt gespielt. Der Passweg öffnet sich, da Can mit seinem Deckungsschatten den Laufweg Hofmanns nicht optimal abschirmt, Schlotterbeck hatte theoretisch noch die Möglichkeit, Hofmann ins Abseits zu stellen. Beim Pass in den Rückraum zu Koné ist der gesamte Sechserraum von Dortmund verwaist, sodass Koné sich mit einem Kontakt in Schussposition bringen und wunderbar ins lange Eck vollenden kann.
Hofmann war gar drauf und dran seinen dritten Assists des Abends einzusammeln. Wie in einigen Szenen zuvor zeigte sich der Gast im Zentrum anfällig, wenn im Umschalten schnell vertikal gespielt wird. Nach einem Ballgewinn von Stindl spielte Elvedi die Nummer 23 im Halbraum der eigenen Hälfte an. Mit einer Drehung ins Zentrum und einem kurzen Antritt hat er sich ausreichend Platz verschafft, um Thuram steil anzuspielen. Der Pass zwischen Hummels und Schlotterbeck hindurch ist ideal gespielt, aber leider schob Thuram den Ball am Kasten vorbei. In der 59. Minute scheiterte Borussias Angreifer nach einem Tänzchen gegen Mats Hummels dann am Schweizer Keeper Gregor Kobel.
Aberkannter Treffer zum 5:2
Nach dem vierten Treffer beruhigte sich das Spiel ein wenig und hatte dennoch zwei kleinere Aufreger parat. Nach einer Dortmunder Ecke sprang der Ball an den Arm von Bensebaini und von dort zu Modeste, der glücklicherweise keinen präzisen Abschluss mehr hinbekam. Schiedsrichter Jablonski und der VAR griffen nicht ein. Dafür tat das Schiedsrichterteam dies – zurecht -nur wenige Augenblicke später, nachdem sich Thuram mit einem Foul im Zweikampf gegen Hummels durchsetzte und Hofmann auflegte.
In den letzten 15-20 Minuten passierte nicht mehr allzu viel. Thuram hätte an diesem Abend sein Torekonto noch weiter nach oben schrauben können. In der 76. Minute war es Weigl, der die Dortmunder Abwehr mit einem Steilpass auf Thuram durchs Zentrum zerlegte. Wieder konnte der Angreifer den Ball nicht im Tor unterbringen und schoss am kurzen Pfosten vorbei. Erneut folgte der Aufbau über den Flügel, bevor man mir kurzen, präzisen Pässen und gutem Freilaufverhalten den Ball in die Spielfeldmitte laufen ließ und von Positionen zwischen Dortmunder Abwehr- und Mittelfeldkette immer wieder mit Steckpässen die Schnittstellen durchbrechen konnte.
Geschlossene Mannschaftsleistung
An diesem Abend war es eine geschlossene Mannschaftsleistung, die es hervorzuheben gilt. Ein Sonderlob hat sich Jan Olschowsky verdient, der gerade im ersten Durchgang mit ein paar starken Paraden dazu beitrug, dass man mit einer Führung den ersten Durchgang beenden konnte.
Besonders stark im Spiel nach vorne: Hofmann und Stindl, die beide zwei Assists verbuchen konnten. Um das mit Statistiken zu untermauern: Insgesamt stehen für Farkes Team zehn Key Passes – also Pässe, die zu einem Torabschluss führen – zu Buche. Acht davon gehen auf das Konto der Routiniers. Zudem waren beide gegen hochstehende Dortmunder an fünf von sechs erfolgreichen Pässen in den gegnerischen Strafraum beteiligt und laut fbref.com an 13 von 22 progressiven Pässen (also an Pässen, die den Ball mindestens 9,1 Meter näher in Richtung des gegnerischen Tores bringen). Ganze 9 der 22 erfolgreichen progressiven Pässe erlief Thuram, was das ohnehin offensichtliche unterstreicht, dass er als steter Unruheherd immer wieder entsprechende Räume vorfand. Ebenfalls sehr auffällig, robust und omnipräsent: Manu Koné.