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Murmeltiertag

„Es ist Murmeltiertag – schon wieder.“ Bill Murray durchlebt ebenso immer wieder die gleichen Ereignisse wie Fans der Gladbacher. Ein Spiel als Sinnbild einer Saison: Ein solider bis zeitweise guter Auftritt, eine ernüchternde Chancenverwertung, teilweise fehlendes Spielglück, defensiv deutlich zu große Lücken, wirkungsloses Pressing und am Ende zerfällt man – leider nicht zum ersten Mal – in seine Einzelteile. Dies war kein einmaliger „Ausrutscher“, keine Anomalie, die durch wahnwitzige Ereignisse begünstigt wurde, sondern vielmehr ist es schlicht und ergreifend Borussia Mönchengladbach unter Adi Hütter 2021/2022. Erinnerungen an den Film „Täglich grüßt das Murmeltier“ werden wach.

Doch der Reihe nach. Die Fohlen begannen erwartungsgemäß mit der Elf, die auch in Bielefeld und gegen den FCA begann. Man formierte sich dementsprechend im gewohnten 3-4-2-1. Die Dortmunder starteten etwas überraschend ebenfalls in diesem System und spiegelten die Gladbacher Grundformation. Beim BVB rückten Reyna, Hazard und Can neu in die Mannschaft für Akanji, Witsel und Brandt.

Ordentlicher Auftakt

Taktisch stellte es sich zunächst dar wie in den vergangenen Spielen. Der Spielaufbau wurde weitestgehend über die rechte Seite gesteuert und diese bewusst überladen mit Lainer, und Hofmann, der erneut zwischen Halbraum und Flügel pendelte und somit immer wieder Anspielstationen bot, während Bensebaini die linke Seite beackerte und dort auf Anspiele wartete, wenn auch nicht ganz so extrem wie in den vorigen Spielen. Nach 90 Minuten waren die Angriffe der Gladbacher ziemlich gleich verteilt

Koné und Neuhaus ließen sich wie zuletzt fallen, um vor der Kette angespielt zu werden oder ließen sich gar in selbige zurückfallen. Pléa agierte etwas tiefer und zentraler als Hofmann auf der anderen Seite und hatte somit einen „kompakteren“ Aktionsradius und gab damit eher das spielgestalterische Element, während Hofmann Läufe und Anspielstationen bot.

Die Anfangsphase gestaltete sich offen und kurzweilig.. Den ersten Warnschuss von Reyna musste Sommer nach einer verunglückten Elvedi-Kopfballabwehr zur Ecke klären.. Bedingt durch das Pressing der Dortmunder sah man sich zudem immer wieder gezwungen, lange Bälle zu spielen.. Die Anspielstationen beziehungsweise die Passwege dorthin wurden dabei gut zugestellt und nicht selten wurde einer der abkippenden Sechser so angelaufen und unter Druck gesetzt, dass er nur klatschen lassen konnte statt das Spiel aufzuziehen.

Gladbacher Pressing häufig erfolglos

Versuche des Gladbacher Pressings
Versuche des Gladbacher Pressings: Can (ballführend) spielt gleich Bellingham kurz an, könnte sogar das Loch im Zentrum nutzen und direkt Dahoud mitnehmen. Mit einem Pass wäre die Gladbacher Linie und sogar fünf Spieler aus dem Spiel genommen. Hofmann schließt die Lücke ins Zentrum nicht, Pléa steht nicht korrekt, um den Pass zu unterbinden

Das eigene Pressing hingegen war kaum von Erfolg gekrönt. Zu selten konnte man hiermit wirklichen Druck erzeugen, was mitunter auch daran lag, dass nicht geschlossen gepresst wurde. Durch einen simplen, risikofreien Pass oder eine Drehung (beim 2:0 beides) war das Pressing damit bereits ausgehebelt. Auch gut zu beobachten war, dass beim Aufbau über rechts – meist via Ginter oder Friedrich – von Dortmunder Seite versucht wurde, den Ball ins Zentrum zurück zu lenken, indem man am Flügel die Passwege zumachte.

Hier ein Beispiel: Malen steht bei Koné und stellt diesen zu. Nach dem Ball von Ginter auf Friedrich läuft er diesen an, Koné steht in seinem Deckungsschatten. Es folgt der Neuaufbau über Sommer und wenige Sekunden später ein langer Ball

Dort wiederum lauerte man hierauf und stellte Koné oder Neuhaus so gut es geht zu und störte so den Spielaufbau und forcierte lange Bälle, die in den meisten Fällen nicht verarbeitet werden konnten. Wenig überraschend spielte man über 90 Minuten somit ungefähr 20% mehr lange Bälle als der BVB (49 vs 58).

Ein langer Schlag von Sommer führte immerhin zu einem Foul an Lainer und einem Freistoß aus dem Halbfeld. Die Hofmann-Reingabe köpfte Bensebaini, letzte Woche noch per Kopf erfolgreich, drüber und holte sich Sekunden später die gelbe Karte ab. Dass der Algerier die volle Spielzeit überstand, gleicht auch einer Überraschung. Bereits wenige Sekunden später gab er Schiedsrichter Fritz bereits zumindest Anlass, über eine weitere gelbe Karte nachzudenken und beim Elfmeter kurz vor Abpfiff war Marco Fritz großzügig unterwegs.

Von Gegentoren, Chancenverwertung und Spielglück

Eine kurze Schrecksekunde gab es anschließend, als Sommer einen weiten Ball erlief und statt zum eigenen Mann einem Dortmunder in die Füße spielte, der sofort mit links abschloss. Erinnerungen an Heinz Müller und Juan Arango wurden kurzzeitig wach – auch wenn hieraus kein Tor entstand. Die Minuten danach zeichnen ein hervorragendes Bild dieser Saison.

Die Entstehung des zweiten Gegentores: Hummels konnte andribbeln, spielt nun Malen an. Friedrich verteidigt als letzter Mann nach vorne, lässt sich rausziehen und öffnet eine riesige Lücke, in die Malen danach per Steilpass geschickt wird. Durch das Anspiel auf Malen ist der BVB an der Mittellinie (!) mit 5vs4 in der Überzahl.

Das Gegenpressing ist in Form von Koné einmal erfolgreich und führt sofort zu einer guten Chance. Über Embolo und Lainer, die das Spiel schnell machen, landet der Ball wieder beim Franzosen, aber Kobel konnte ihn irgendwie noch mit dem Knie am Tor vorbei bugsieren. Natürlich kam, was kommen musste: Malen hat im Zweikampf den Ball fast schon verloren gegen Ginter, spitzelt ihn noch zu Guerreiro, der den Doppelpass mit Malen spielt und den Abschluss kann Sommer nur in die Mitte klären, wo tatsächlich drei Dortmunder zentral vor dem Tor recht frei stehen und Reus schiebt ein.

Bei der nächsten riesigen Chance der Gladbacher ging es wie beim Abschluss von Koné über die rechte Seite. Neuhaus bindet den hoch stehenden Ginter ein, der wiederum direkt in den Lauf von Hofmann prallen lässt, Der Ex-Dortmunder zieht energisch Richtung Strafraum, spielt den Doppelpass mit Embolo und scheitert aus kurzer Entfernung an Kobel.

Und auch diese ausgelassen Chance rächt sich auf typische Art und Weise postwendend. Hummels dribbelt kurz an, verschafft sich Platz von Hofmann, Embolo kann Hummels nicht mehr rechtzeitig stören bei seinem Pass. Auf Höhe der Mittellinie stehen gleich fünf schwarz-gelbe auf einer Linie. Der Ball kommt zu Malen, der dem Ball entgegengeht und Friedrich trifft die Entscheidung den Weg mitzugehen, lässt sich in die Dortmunder Hälfte ziehen und öffnet einen großen Raum, den Malen Sekunden später mit Glück zum Treffer nutzt. Wieder wird eine ungenutzte Chance binnen Sekunden zum Bumerang.

Chancenverwertung die Dritte

In der 37. Minute schaffte man es endlich einmal, sich dem Pressing spielerisch zu erwehren. Neuhaus kurbelte von hinten aus an und konnte mit dem ihm entgegenkommenden Hofmann Doppelpass spielen und sofort das Spiel beschleunigen. Lainer drang rechts in den Strafraum ein und legte den Ball zurück. Neuhaus hatte den Weg mitgemacht, aber scheiterte in aussichtsreicher Position durch einen zu ungenauen Abschluss an Kobel. Hier war möglicherweise auch die Strafraumbesetzung nicht ideal. Alle mitmarschierten Borussen säumten sich in der Nähe des kurzen Pfostens beziehungsweise im Rückraum. Der zweite Pfosten war gänzlich verwaist – und genau dorthin ließ Kobel den Schuss prallen.

Thema Strafraumbesetzung: Lainer legt zurück, Neuhaus läuft ein, kommt zum Abschluss. Den Ball lässt Kobel Richtung zweiten Pfosten prallen, doch dieser Raum ist unbesetzt

Ein weiteres Mal konnte man sich in Form von Pléa und Hofmann aus demDortmunder Forechecking befreien. Der starke Steilpass des Franzosen schickte Hofmann auf die Reise, der ab der Mittellinie alleine loszog und nur vom verwarnten Zagadou hätte gestoppt werden können. Der weit herausgeilte Kobel irritierte Borussias Nummer 23 scheinbar so sehr, dass er sich verzettelte und den Ball verlor statt zu schiießen.

Zurück zum 4-2-3-1

Nach dem Seitenwechsel stellte Hütter um auf das 4-2-3-1. Thuram ersetzte Friedrich und spielte fortan links auf dem Flügel, Pléa ging auf die Zehn. Auch eine Reaktion auf das fruchtlose Anlaufen der ersten 45 Minuten. Hofmann erklärte bei DAZN nach Abpfiff, dass man mit einem klaren Zehner Dahoud und Bellingham daran hindern wollte, sich aufzudrehen und das Spiel zu strukturieren. Dies gelang zunächst auch besser, weil Pléa nun noch zentraler agierte und durch seine Positionierung auf der Zehn logischerweise näher an den gegnerischen Sechsern operierte und etwas mehr Zugriff hatte.

Eine gute Gelegenheit im Konter schloss er etwas überhastet ab, statt die Situation zielstrebig auszuspielen. Und wenn man bekanntlich kein Glück hat, kommt noch Pech dazu. So geschehen in der 62, Minute: Hofmann erarbeitete den Ball in der gegnerischen Hälfte, legte auf Koné ab, der Pléa mit ins Boot holt und durchbrechenden Hofmann in die Gasse schickt. Leider nagelt dieser den Ball an die Latte statt ins Tor. Insgesamt schaffte man es in dieser Phase, Dortmund zu längeren Bällen zu zwingen, da das Pressing nun besser griff.

Die Vorentscheidung: Nach einem Einwurf ist die ballferne Seite komplett offen. Thuram ist zu weit Weg von Wolf

Endlosschleife

Weil sich die Geschichte in diesem Spiel besonders gerne wiederholt, tat sie es erneut. Das Aluminium entschied sich hüben für Dortmund und drüben beim Schuss des eingewechselten Wolf für Dortmund, als der Ball über die Unterkante eben jener den Weg ins Gladbacher Netz fand – die Vorentscheidung. Ginter klärte nach einem Dortmunder Einwurf per Kopf in die Füße von Reus, Pass auf Wolf, Tor.

Thuram steht zu weit weg von Wolf, kann diesen nicht mehr aufnehmen und Bensebaini steht gegen den Ballführenden Reus und den startenden Wolf auf verlorenem Posten. Anschließend zerfiel man zum wiederholten Male komplett in alle Einzelteile und ließ sich selbst bei einem o:3 Rückstand noch auskontern und schluckte in den letzten 20 Minuten tatsächlich noch drei weitere Treffer und hat damit so ziemlich alles eingerissen, was man sich höchst mühsam erarbeitet hatte in den beiden vorigen Spielen.

Unangenehmer Arbeitsbeginn für Virkus

Die Hypothek für den neuen Sportdirektor wiegt schwer. Mit Hütter hat man einen teuren Trainer auf der Bank, mit dem man nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen komplett untergeht. Mit besorgniserregenden 46 Gegentoren rangiert man gefühlt in Frontzeckschen Gefilden.

Die nächsten Spiele werden die viel zitierten Sechs-Punkte-Spiele. Gegen Stuttgart und Wolfsburg trifft man auf zwei direkte Konkurrenten im Abstiegskampf und muss dringend möglichst viele Punkte mitnehmen, bevor es noch unangenehmer wird. Alarmierend ist, dass man zum wiederholten Male derart abgeschossen und zerpflückt wird. Auch heute wurde aus einer teilweise ordentlichen Leistung ein mittelschweres Fiasko durch die angesprochenen Gründe.

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